Eos (Ἠώς) ist die griechische Göttin der Morgenröte, die in der Literatur, beispielsweise in der Odyssee (Ὀδύσσεια), häufiger vorkommt als in der tatsächlichen religiösen Praxis.
Trotzdem ist sie einigermaßen bekannt, vor allem weil einer ihrer wichtigsten Mythen in Athen populär war, das mehr schriftliche Aufzeichnungen hinterlassen hat als die meisten anderen Teile Griechenlands.
Wer war Eos?
Viele Menschen sagen, dass Eos die Göttin der Morgenröte war, aber das stimmt nur teilweise. Es ist viel genauer zu sagen, dass sie die Morgendämmerung war.
Im Griechischen bezieht sich das Wort eos auf die Göttin, wenn es mit einem Großbuchstaben beginnt, aber auf den physischen Sonnenaufgang, wenn es mit einem Kleinbuchstaben beginnt.
In der griechischen Mythologie war sie eine der Titanen. Sie waren die zweite Generation der Götter und wurden gewöhnlich mit Naturphänomenen in Verbindung gebracht.
Eos, die Morgenröte, war die Tochter von Hyperion (Ὑπερίων), dem Titan des Lichts, und Theia (Θεία), der Titanin des strahlend blauen Himmels.
Damit war sie die Schwester von Selene (Σελήνη), der Göttin des Mondes, und Helios (Ἥλιος), dem Sonnengott.
Eos war mit dem Titanen Astraios (Ἀστραῖος) verheiratet. Zusammen hatten sie mehrere Kinder, die als die Anemoi (Ἄνεμοι), die Winde, bekannt sind.
Zu ihnen gehörten Euros (Εὖρος), der Gott des Ostwindes, Boreas (Βορέας), der Gott des Nordwindes, Zephyros (Ζέφυρος), der Gott des Westwindes und Notos (Νότος), der Gott des Südwindes.
Des Weiteren auch Kaikias (Καικίας), der Gott des Nordostwindes, Lips (Λίψ), der Gott des Südwestwindes, Skiron (Σκίρων), der Gott des Nordwestwindes und Apheliotes (Ἀφηλιώτης), der auch ein Gott des Ostwindes war.
Die Ursprünge der Eos
Eos ist eine sehr alte Göttin, die wahrscheinlich schon lange vor der Entwicklung der griechischen Kultur existierte.
Sprachwissenschaftler haben herausgefunden, dass ihr Name mit dem der Sanskrit-Sonnengöttin yāvat verwandt ist. Er scheint auch von einem proto-indoeuropäischen Wort für die Morgendämmerung abzustammen.
Das deutet darauf hin, dass die meisten Sonnenaufgangsgöttinnen, die von den Menschen damals verehrt wurden, einen gemeinsamen Ursprung haben könnten.
Als die Menschen, die diese Göttin verehrten, sich ausbreiteten und sich in den verschiedenen Teilen Europas und Indiens niederließen, nahmen sie ihre Göttin mit sich.
Die Namen und Traditionen, die sie umgeben, änderten sich im Laufe der Zeit, als die neuen Bevölkerungen ihre eigene Kultur entwickelten. Die Ähnlichkeiten sind jedoch eindeutig geblieben.
Die Beinamen der Eos
Die Griechen sprachen ihre Götter und Göttinnen selten nur mit ihrem Namen an. Stattdessen verwendeten sie eine Vielzahl von Titeln oder Beinamen, die Epitheta genannt werden.
Wenn ein Gott mehrere Rollen in der Gesellschaft innehatte, benutzten die Menschen diese Titel, um zwischen ihnen zu unterscheiden. In der Literatur verwendeten die Dichter sie als formelhafte Aussagen, um die Zeilen im passenden Versamaß zu füllen.
Eos hat nur drei Beinamen, von denen zwei eng miteinander verbunden sind. Am häufigsten wird sie „rosenfingrig“ genannt, aber manche Dichter nennen sie stattdessen „rosenbewehrt“.
Dies ist eine Anspielung auf die Farben des Sonnenaufgangs. Es ist jedoch wahrscheinlicher, dass es sich um einen poetischen Titel handelt als um einen religiösen. Gelegentlich wird sie auch als „Sonnenaufgangsbringerin“ bezeichnet, was jedoch nur in der Poesie belegt ist.
Kult und Verehrung der Eos
Die Griechen verehrten ihre Götter nicht aus reiner Hingabe. Wenn sie Opfer brachten, erwarteten sie dafür eine Gegenleistung, in der Regel eine Art Segen, Heilung oder Schutz.
Sie gingen oft in einen Tempel, um einen Gott um einen Gefallen zu bitten, und brachten nur dann ein Opfer dar, wenn sie bekamen, was sie wollten.
Da Eos die Göttin der Morgenröte war, hatte sie den Anbetern nicht viel zu bieten. Das hinderte sie daran, in einem religiösen Kontext zu populär zu werden.
Und so wurde sie in der Regel zusammen mit anderen Göttern kollektiv verehrt, wenn sie überhaupt explizit verehrt und angebetet wurde.
Andererseits war sie in der Kunst sehr beliebt. Als Titanin spielt sie in vielen der Schöpfungsmythen der Welt eine Rolle.
Hesiod (Ἡσίοδος) schreibt ihr zum Beispiel die Erschaffung der Sterne zu, und ein späterer römischer Dichter namens Ovid sagt, dass ihre Tränen Tau bildeten.
Sie wurde auch mit der Liebe in Verbindung gebracht, wobei einige Quellen besagen, dass Aphrodite (Ἀφροδίτη) sie verflucht hat, ständiges Verlangen nach jungen Männern zu empfinden.
Der Grund dafür war, dass Aphrodite erzünrt war wegen der Liebschaft zwischen Ares (Ἄρης), dem Kriegsgott, und Eos.
In der berühmtesten dieser Quellen heißt es, dass sie einen Mann namens Kephalos (Κέφαλος) entführte, ihn aber mit einem Fluch zu seiner Frau zurückbrachte, nachdem er sich nach ihr zu sehnen begann.
Seine Frau, die Prokris (Πρόκρις) hieß, hörte ihn später singen und dachte fälschlicherweise, er würde seine Trennung von Eos beklagen. Also spionierte sie ihm auf der Jagd nach.
Kephalos verwechselte sie mit einem Tier und tötete sie, womit der Fluch erfüllt war. Da Kephalos aus Athen stammte, liebten die Athener diese Geschichte und verbreiteten sie in ganz Griechenland, indem sie Töpfe und Vasen mit Bildern aus der Geschichte schmückten.